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Wirtschaft sieht Handlungsbedarf – Volksinitiative jedoch nicht bevorzugt

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Vor vier Jahren kämpfte die Schweizer Wirtschaft vehement gegen die Konzernverantwortungsinitiative. Die Neuauflage sorgt jedoch bei den großen Wirtschaftsverbänden heute für weniger Aufregung.

Worum geht es?

Die Koalition für Konzernverantwortung bereitet eine neue Volksinitiative vor. Der erste Versuch scheiterte vor vier Jahren am Ständemehr. Inzwischen haben jedoch die EU-Länder strengere Regulierungen beschlossen, wodurch ein zentrales Argument gegen die Initiative von damals – die Angst vor einem Alleingang der Schweiz – wegfällt

Heute zeigen sich die Wirtschaftsverbände offener für eine stärkere Regulierung international tätiger Großunternehmen. 2020 war die Befürchtung, dass Schweizer Firmen bei Annahme der Initiative im internationalen Wettbewerb benachteiligt würden, eines der Hauptargumente der Gegner. Mittlerweile hat die EU jedoch strengere Regeln verabschiedet, die das Schweizer Recht übertreffen

Mit der neuen Initiative will die Koalition diesen Rückstand aufholen. Der Initiativtext wird voraussichtlich zum Jahreswechsel veröffentlicht und soll sich an den neuen EU-Regeln orientieren.

Offenheit, aber mit Vorsicht

Die Schweizer Wirtschaftsverbände stehen der Neuauflage der Konzernverantwortungsinitiative heute gelassener gegenüber. Denise Laufer, Sprecherin des Verbands Swiss Holdings, der 65 multinationale Unternehmen wie Glencore, Nestlé und Holcim vertritt, erklärt: „Wir verschließen uns den internationalen Entwicklungen nicht, doch die Umsetzung wird entscheidend sein.“

Laufer betont, dass eine international abgestimmte Regelung grundsätzlich begrüßt wird, da sie sicherstellt, dass Schweizer Unternehmen mit den EU-Märkten kompatibel bleiben. Sie warnt jedoch davor, sich zu sehr auf die EU zu konzentrieren, da über 50 Prozent der Schweizer Exporte in Drittstaaten gehen, die keine so strengen Regulierungen haben.

Die neuen EU-Regeln

In der EU gelten seit diesem Sommer neue Vorschriften für große Unternehmen, die mehr als 1000 Mitarbeitende weltweit beschäftigen und einen Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro erzielen. Diese Firmen sind verpflichtet, sicherzustellen, dass bei der Beschaffung von Rohstoffen keine Umweltstandards oder Menschenrechte verletzt werden. Zudem müssen sie ihre CO₂-Emissionen im Einklang mit den Klimazielen des Pariser Abkommens berücksichtigen.

Jeder EU-Staat soll eine Aufsichtsbehörde einrichten, die Verstöße sanktionieren kann. Opfer von Zuwiderhandlungen können darüber hinaus gegen die entsprechenden Unternehmen klagen.

Herausforderungen für die Schweizer Wirtschaft

Auch der größte Wirtschaftsverband der Schweiz, Economiesuisse, erkennt den Regulierungsdruck aus dem Ausland an. Hannes Egger von Economiesuisse betont, dass die Schweiz einen Weg finden müsse, wie sie mit den neuen EU-Vorgaben umgehen wolle. Diese Anforderungen stellten besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine erhebliche Herausforderung dar.

„Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, zusätzliche Forderungen zu stellen“, meint Egger. Der Bundesrat prüft die Regelungen bis 2025, und es sei wichtig, der laufenden Arbeit nicht vorzugreifen.

Auch KMU könnten betroffen sein

Obwohl die Initiative offiziell nur auf Großunternehmen abzielt, befürchtet Urs Furrer, Direktor des Gewerbeverbands, dass KMU indirekt betroffen sein könnten. „Wenn Großunternehmen verpflichtet werden, müssen sie sicherstellen, dass ihre gesamte Lieferkette die Vorgaben einhält. Das betrifft auch kleinere Zulieferer“, erklärt Furrer.

Wie reagieren ABB und Glencore?

International tätige Unternehmen wie ABB und Glencore haben bereits begonnen, sich an die neuen Vorschriften anzupassen. ABB konnte dabei auf ihre bestehende Berichterstattung aufbauen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Glencore unterliegt laut Sprecherin Sarah Antenore bereits einer Vielzahl länderspezifischer Berichterstattungspflichten. Diese seien mit einem hohen Aufwand verbunden, da die Regeln umfassende Vorgaben enthalten

Der frühere Nationalrat Dominique de Buman, Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung, widerspricht der Annahme, dass KMU stark belastet würden. „Es geht uns darum, die großen Konzerne in die Pflicht zu nehmen“, betont er.

Offene Fragen

Ob die neuen Regelungen einen Einfluss auf die Preise haben werden, bleibt noch unklar. Sicher ist jedoch, dass die Debatte um die Konzernverantwortung die Schweiz noch lange beschäftigen wird.